Wetterbericht 24.02.2024

 

 

 

8 Grad, dichte Wolkendecke, am Vormittag Schauer.

 

" Was für die Vögel die Mauser ist,  (...) das sind Missgeschicke und Unglück und schwierige Zeiten für uns Menschen. Man kann in dieser Mauserzeit verharren, man kann auch neugeboren daraus hervorgehen, aber jedenfalls geschieht das nicht in der Öffentlichkeit, es ist durchaus kein Spaß und deshalb tut man besser daran zu verschwinden. Gut, sei´s!"

 

Diese Zeilen schrieb Vincent van Gogh nicht aus der Nervenheilanstalt in St. Remy, sondern Jahre zuvor nach seiner Zeit als Wanderprediger im Borinage. Er wurde der Kirche durch sein allzu großes Engagement für die Grubenarbeiter ein Dorn im Auge und deshalb entlassen. Sein Bruder Theo warf Vincent damals vor, er führe ein bequemes Rentnerleben und möge doch lieber eine Beckerlehre machen. Neun Monate war Vincent in der Mauser, bevor er Theo einen langen Brief schickte und sich entschloss, Maler zu werden. Vincent war damals 27 Jahre.

Hier weitere Ausschnitte aus Vincent´s Briefen an Theo:

 

Im Bild möchte ich etwas Tröstliches sagen, wie Musik. Ich möchte Männern und Frauen mit diesem gewissen Ewigen malen, für das früher der Heiligenschein das Symbol war, und was wir durch das Leuchten, durch das Zittern und Schwingen unserer Farben zu geben suchen... ( Brief 531)

 

Wenn man sich mit japanischer Kunst befaßt, dann sieht man wie ein unbestreitbar weiser Mann seine Zeit womit verbringt? Die Entfernung des Mondes von der Erde zu studieren? Nein. Die Politik Bismarcks zu studieren ? Nein. Er studiert einen einzigen Grashalm. Aber dieser Grashalm bringt ihn dazu alle Pflanzen zu zeichnen, dann alle Jahreszeiten, die großen Züge der Landschaften, schließlich die Tiere, dann die menschliche Gestalt. So verbringt er sein Leben und sein Leben ist zu kurz, um alles auszuführen. ( Brief 542)

 

Man sagt sich: ich will nicht mehr malen – aber was dann? Man müsste ein geschwinderes weniger kostspieligeres Malverfahren erfinden als die Ölmalerei, das trotzdem haltbare Bilder lieferte. (…) Und statt großartiger Ausstellungen zu veranstalten, hätte man besser daran getan, sich ans Volk zu wenden und zu arbeiten, damit jeder in seiner Wohnung Bilder und Reproduktionen haben kann, die ein Anschauungsunterricht sind wie das Werk von Millet. ( Brief 615)

 

Die Sonnenblumen sind das Symbol von van Gogh´s Malerexistenz: es sind Metaphern der Gefährdung und der Solidarität mit dem Lebendigen bedroht vom Tod des Verdorrens. Van Gogh hat, um sich Ölfarben leisten zu können phasenweise nur Wasser und Brot gegessen oder gehungert. Er wurde nur von seinem Bruder Theo unterstützt. In den letzten beiden Jahren seines Lebens befürchtete Vincent die Kosten, die seine Malerei für seinen Bruder verursachte, nie wieder zurückzahlen zu können. Einige Van Gogh Biografen vermuten, dass diese Schuldgefühle die Ursache für seinen Selbstmord waren. Er wurde nur 39 Jahre alt.

 

In seinem Essay "Vincent" schrieb der Kunstkritiker John Berger: Van Gogh´s Werk wird geliebt, weil für ihn der Akt des Malens und Zeichnens, ein Weg war zu entdecken und zu zeigen, warum er etwas, das er betrachtet hat, mit solcher Intensität liebte. Van Gogh bezeugt in seinen Bildern die widerständige Kraft alltäglicher Zärtlichkeit, von der wir alle träumen und die wir sofort erkennen, wenn sie im Bild gerahmt vor uns steht. Mit der ihm eigenen Sensibilität malte Vincent die Energieströme eines wachsenden Baumes, die Suche einer Pflanze nach Licht, einen Ast der gezwungen ist sich mit den Nachbarästen einzurichten.

Wörtlich schrieb Berger über van Gogh: „ Ich kenne keinen zweiten europäischen Maler, dessen Arbeiten einen solche blanke Achtung vor den Alltagsdingen ausdrücken ohne sie zu überhöhen.“

In Vincent´s Zeichnung steckt etwas, was John Berger schwer zu umreißende Dankbarkeit nennt und er fragt am Ende seines Essays: stammt sie von dem Ort, den er malte, von ihm selbst oder von uns? Meiner Meinung nach von allen drei.