Auf den ersten Blick gibt es schönere Städte als Bari. Aber der Kontrast zwischen der mittelalterlichen Altstadt und den Prachtbauten der Neustadt sowie einer der längsten Seepromenaden Europas hat seinen eigenen Reiz.
Als der italienische Filmregisseur Pier Paolo Pasolini Bari in den 50er Jahren besuchte, nannte er es, die Stadt mit den zwei Gesichtern: dunkel und wenig einladend am Abend, sonnendurchströmt morgens am Meer. Heute hat Bari noch viel mehr Gesichter: An dem Winterabend, an dem diese s/w Fotos entstanden war Bari für mich ein sehr melancholischer Ort, denn es ist der Abschiedsabend und ich habe mich ein wenig in Apulien verliebt. Hafenmauern wie hier sind in Apulien bevorzugte Orte für Liebeserklärungen alller Art.
Diese Fotos entstanden in der Nähe des Madonella Viertels am alten Hafen von Bari, der Grenze zwischen der modernen Neustadt und der mittelalterlichen Altstadt. Es ist eines der Lieblingsviertel von Gianrico Carofiglio, Berater der Antimafia-Kommission und erfolgreicher Krimiautor. In seinem Roman "Eine Nacht in Bari" beschreibt er die Verwandlung Baris von einem dunklen, furchteinflößenden Ort in den 80er Jahre zu einer modernen, weltoffenen Stadt. Viele Jahre konnte sich Carofiglio in seiner Heimatstadt Bari nicht ohne Polizeischutz bewegen, heute hat Apulien die Lage wesentlich besser im Griff.
Mit 330.000 Einwohnern ist die Hauptstadt Apuliens nach Neapel die zweitgrößte Stadt Süditaliens. In der Antike galt Bari bereits als Tor zum Orient und noch heute ist Baris Hafen eine der wichtigsten Verbindungen nach Dubrovnik, Bar, Durrës, Patras und Korfu, Igoumenitsa, Kefalonia und Zakynthos.
Die Neustadt entstand Ende des 19. Jahrhunderts und ist in schachbrettförmigen Straßen und Häuserblocks angelegt, deren Prachtbauten an manchen Ecken ein bißchen an Paris erinnern. Zu den Prachtstraßen gehört neben dem Corso Vittorio Emanuele II vor allem der Corso Cavour, an dem auch das Petruzelli Theater liegt. Das Teatro Petruzelli ist eines der größten Theater Italiens. 1991 wurde es durch Brandstiftung komplett zerstört und erst 2009 wiedereröffnet. Hauptsächlich werden im Teatro Petruzelli Opern und Konzerte aufgeführt. Einmal im Jahr findet hier auch das BIFEST - Bari International Film Festival statt. In diesem Jahr ist das Festival vom 24. März bis 1. April geplant. -> Bifest 2023
Bari besitzt außerdem eine der längsten Seepromenaden Europas, die leider auch von einigen protzigen Bauten der Ära Mussolinis gesäumt ist.
Seit Jahren stand dieses schöne Gebäude mit dem seltsamen Namen "Kursaal Santalucia" in der Nähe der Strandpromenade (in der Largo Adua, 5 ) leer und ich habe mich immer gefragt, was hier wohl mal drin war und warum es nicht genutzt wird. Der Kursaal Santalucia soll zu einem "Apulischen Haus der Künste und Klänge" und einem Laboratorium für lokale, nationale und internationale Künstler und aufstrebende Talente werden. 2023 finden hier auch Filmvorführungen im Rahmen des Bifest statt.
Das Jugendstilgebäude wurde 1925 vom Ingenieur Orazio Santalucia im Auftrag der gleichnamigen Familie als Wohnhaus entworfen und zwei Jahre später um einen Theatersaal erweitert. Der Giuseppina-Saal ist mit Hochreliefs und Fresken der Brüder Mario und Guido Prayer geschmückt. Im Jahr 1989 wurde das Theater unter der Leitung des Architekten Paolo Portoghesi vollständig restauriert. Was dann passierte stand leider nicht in dem Artikel. Mehr dazu sowie über Kino, Musik, Sport, Enogastronomie ect. auf der Seite -> Apulian Positive Storys ( leider nur italienisch)
Vor einigen Jahren wurde in manchen Reiseführern wegen der hohen Kriminalität noch vor einem Gassenbummel durch die Altstadt Baris gewarnt. Heute ist das nicht mehr so, allerdings ist die Altstadt groß genug, um sich darin zu verlaufen, wenn man keine gute Karte oder einen Führer hat. Ich habe mal verzweifelt nach einem Hostel in der Altstadt gesucht und schließlich aufgegeben. Im Tourismusbüro direkt gegenüber vom Hauptbahnhof gab man mir einen Stadtplan, zeigte auf den nördlichen Bereich der citta vecchia mit der Bemerkung: "Hier irgendwo muss es sein." Strassennamen Fehlanzeige.
Das frühere Problemviertel Arco basso in der Altstadt hat sich in den letzten 20 Jahren extrem verändert. Spiegel Panorma schreibt im Januar 2020: "Etwa um die Jahrtausendwende brachten die Stadtregenten Licht und Farbe in die Problemviertel. Investoren schufen - mit Blick auf den Hafen - im Umland Arbeitsplätze. Die Reisenden, die schon immer per Schiff via Bari nach Griechenland oder auf den Balkan fuhren, stiegen plötzlich in Bari aus, blieben sogar eine Nacht. Dann kamen die Kreuzfahrtschiffe. Und heute ist die Stadt voll. Lonely Planet setzte Bari voriges Jahr auf die Liste der zehn Top-Tourismus-Ziele in Europa. Ein Dolce-&-Gabbana-Spot zeigt Sylvester Stallone beim Tanzen mit den Frauen von Arco Basso und beim Fingerspiel mit den Orecchiette." Anlass für den Artikel ist der Streit, der in Bari ausbrach, weil die Behörden den Frauen verbieten wollte, hier weiterhin ihre selbstgemachten zu Nudeln verkaufen. -> Der Nudelzoff von Bari / spiegel
Für einen Spaziergang durch die Altsstadt solltet ihr euch unbedingt Zeit nehmen und bewußt das Risiko eingehen, euch ein bißchen zu verirren. So groß, dass ihr nicht mehr herausfindet, ist sie nun auch wieder nicht und man kann dabei wirklich viel entdecken. In der Mittagszeit zwischen 13.00 und 17.00 uhr ist die Altstadt wie der Rest der Stadt fast ausgestorben und fast alle Geschäfte geschlossen. Abends öffnen dann viele Bars, die man tagsüber hinter verschlossenen Rollläden gar nicht vermutet hätte.
Der "largo albicocca" ist der Platz der Verliebten. Am 14. Februar um 19.00 sind alle eingeladen San Valentino ( Valentinstag ) zu feiern. Was dann passiert? Keine Ahnung.
Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen der Stadt ist die Basilica San Nicola mit den Reliquien des heiligen Nikolaus. Den gab es nämlich wirklich. Als Bari im 10. Jahrhundert drohte an Prestige zu verlieren, entführten Seeleute die sterblichen Überreste des Bischofs von Myra, Nikolaus von Myra, und brachten ihn nach Bari. Ihm zu Ehren wurde die Basilika gebaut und Bari zu einer bedeutenden Pilgerstadt. Den Raub bezeichneten die Seeleute als eine "von Gott inspirierte Reise" und gaben zu bedenken, dass Gott es nicht erlaubt hätte, den Nikolaus nach Bari zu bringen, wenn es nicht sein Wille gewesen wäre.
Das Fest zu Ehren des Nikolaus ist nicht am 6. Dezember, sondern vom 7-9. Mai, dem Tag, an dem er nach Bari gebracht wurde. Unter den Fischern aus Bari wird jedes Jahr versteigert, wer die Ehre hat, mit der Statue des Heiligen Nikolaus eine Nacht auf das Meer zu fahren. Am nächsten Tag wird die Statue wieder zurück in die Basilika gebracht. Die ganze Stadt ist mit aufwendigen Lichtinstallationen geschmückt und an den Abenden finden Feuerwerke statt. An diesen Tagen befindet sich Bari quasi im Ausnahmezustand. In ungeraden Jahren schickt sogar das italienische Militär eine Fliegerstaffel zur Unterstützung der Feierlichkeiten. Als Matteo Salvini von der Lega kürzlich Bari besuchte, klärte ihn Michele Emiliano, der Ministerpräsident Apuliens über San Nicola auf:
„Der wichtigste Schwarze Apuliens, der uns gelehrt hat, wie wir den Frieden bewahren in unseren Geschäftsangelegenheiten und unseren menschlichen Beziehungen.“
Auch das für die Fussball-WM 1990 von Renzo Piano gebaute Fussballstadion Stadio San Nicola ist nach dem Schutzpatron der Stadt benannt. Wegen seines futuristischen Aussehens wird es auch "das Raumschiff" genannt. (Der FC-Bari ist in der letzten Saison Pleite gegangen und von der Serie B in die Serie D abgestiegen, wird jetzt aber vom Neapel -Chef de Laurentiis gefördert).
Sehenswert ist auch das Castello Normanno Svevo ( 11.Jahrhundert) am südwestlichen Rand der Altstadt an der Piazza Federico II die Svevia. Einige Räume der Burg werden für Wechselausttellungen genutzt.
Von hier aus startet eine Underground Tour, eine unterirdische archäologische Tour, die etwa eineinhalb Stunden dauert. Sie startet am Castello Svevo mit dem Besuch der Überreste einer byzantinischen Siedlung zur ->Cattedrale di San Sabino im romanischen Stil mit einer alten Basilica, in der sich ein Mosaik aus dem 6. Jahrhundert befindet. Die Tour endet am ->Palazzo Simi, dem staatlichen archäologischen Zentrum in Bari, wo die Reste einer byzantinischen Kirche zu besichtigen sind. Im Palazzo Simi finden außerdem temporäre, archäologische Ausstellungen statt.
Sehenswert ist auch die Landespinakothek > Pinacoteca Provinciale Corrado Giaquinto am Lungomare Nazario Sauro mit der umfangreichsten Gemäldesammlung der Region (apulische, neapolitanische, venezische Malerei) und einer Abteilung für Gegenwartskunst.
Außerdem kaum bekannt: das achäologische Museum Museo archeologico di Santa Scolastica ( via Venezia e la Biblioteca Santa Teresa dei Maschi - de Gemmis in strada Lamberti,
3). Die archäologische Sammlung ist breit gefächert und diversifiziert und besteht aus den folgenden Abteilungen mit insgesamt über 30.000 Funden:
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prähistorisches Material einschließlich Steinwerkzeuge, geprägte Keramik;
- einheimische geometrische Dauna-, Peuceta- und Messapic-Keramik;
- Apulianische Keramik griechischer Abstammung mit schwarzem Lack, übermalt, rote Figuren und im Stil der Gnathia;
- Griechische, korinthische und attische Keramik;
- figurative und architektonische Terrakotta; Steinskulpturen; Bronzen einschließlich Vasen, Waffen, Rüstungen, Werkzeuge; Goldschmiedekunst; Griechische und lateinische Inschriften; Griechische, römische, byzantinische, mittelalterliche und moderne Münzen;
gravierte Edelsteine; Objekte aus Knochen und Elfenbein; Glas und Bernstein.
Der Fischmarkt am lungomare in der Nähe der Altstadt: morgens könnt ihr hier frischen Fisch, Seeigel ( apulische Spezialität ), Muscheln oder Pulpo kaufen. Ab dem frühen Abend ist es ein beliebter Treffpunkt für Junge und Junggebliebene, die hier bei einem Bierchen oder ähnlichem die Aussicht auf das Meer genießen. Das Foto ist im Januar gemacht. Im Sommer ist hier wesentlich mehr los.
Unbedingt Focaccia Barese essen! Das ist die südostitalienische Antwort auf die Neapolitainsche Pizza. Die Focaccia, die ich gegessen habe war im Panificio Fiore (Irgendwo links von der Cattedrale San Sabino, ich habe leider kein Straßenschild gefunden).
Oder zuhause ->Focaccia Barese selber machen.
Am anderen Ende des lungomare, also im Süden, befindet sich der Strand "Pane e Pomodore". Da von 13.00 -17.00 uhr siesta ist und viele Geschäfte geschlossen sind, kann man sich hier herrlich entspannen, bevor man gegen Abend die quirlige Altstadt ansteuert.
-> Ausgeh-tipps, Restaurants ect. von der Seite ItalyEurope
-> Pizzeria "Pazzeria Dregher" (pazzo heißt verrückt). Hier wird zu italienischen Liedern aus den 50er und 60er Jahren gesungen und getanzt. Das ist wirklich italienische Lebensfreude pur.
-> falls ihr Italienisch könnt findet, ihr auf der Webseite "Bariinedita" sehr viele Informationen über Veranstaltungen, Kunst, Aktuelles, kleine und große Geschichten über Bari (aber auch Berichte aus ganz Apulien). Hier z.B. eine kurze Erzählung von Pasolini über Bari..
Die Romane von Carofiglio gibt es auch auf Deutsch.
Bari ( 1989) Kurzfilm von Lina Wertmüller ( 8, 30 min)
12 Regisseure für 12 Städte. Zwölf große italienische Regisseure stellten 1989 die zwölf italienischen Städte vor, in denen die Spiele der 14. Fußballweltmeisterschaft stattfanden. In diesemRahmen entstand auch Lina Wertmüllers Film, den es auf youtube gibt, und den ich ausnahmsweise einbinde, weil er so schön ist.
La capa gira (1999) von Alessandro Piva ist eine Milieustudie über Kleindealer in Bari. Ein Kino - Film, der in Bari gedreht wurde und in dem die Schauspieler ausschließlich den Dialekt aus Bari sprechen. Da selbst viele Italiener den Dialekt nicht verstehen wurde der Film in italienischen Kinos mit italienischen Untertieteln gezeigt. Imdb meint: "einer jener wunderbaren italienischen Low-Budget-Arthouse Filme, die besonders Personen anspricht, die mit dem Ort und den dort lebenden Menschen persönlich vertraut sind." Alessandro Piva ist in Salerno geboren. Viele seiner Filme spielen in Apulien, so auch Mio cognato (2004) und Santa subito (2019).
Die Bareser sind auch berühmt für ihre Selbstironie. Ihr Dialekt ist eine Mischung aus italienischen, griechischen und arabischen Wörtern und manche behaupten sogar, sie seien an der Art zu erkennen, wie sie gestikulieren. Die Fernsehserie "Le Battagliere" ( Die Kämpferinnen) , auch bekannt als " Pupetta, Königin von Bari" vermittelt davon einen Eindruck. Pupetta heißt Püppchen und wird von einem Mann gespielt. In diesem Video geht es darum, dass Pupetta möchte, dass ihr Mann nach Hause kommt, der lieber mit seinen Kumpels am Hafen abhängt. Am Ende artet alles in ein riesiges Durcheinander aus. Verstehen werdet ihr nichts, aber ich liebe die Laute, das Gestikulieren und die übertriebene Theatralik.