Das Fest von San Trifone in Adelfia

Ziuccio Pontrelli erzählt von der Festa di San Trifone. Es ist die Königin der Patronatsfeste in Apulien und lockt jedes Jahr zigtausende Besucher nach Adelfia.

 

Schon im September bricht in Adelfia langsam das San Trifone - Fieber aus, denn das Fest ist für viele hier wie Weihnachten und Silvester zusammen. Adelfia bedeutet soviel wie Brüderlichkeit, weil die Orte Montrone und Canneto 1927 vereint wurden. Das Fest von San Trifone findet im älteren Ortsteils, in Montrone, statt.

 

 

So sieht er also aus, der jungendliche Held San Trifone: er hat ein kindlich unschuldiges Gesicht und trägt eine Lanze, an deren Ende eine Heuschrecke aufgespießt ist. San Trifone wurde nur 17 Jahre, weil er sich weigerte die Götter der Römer anzubeten. Seit mehr als 1000 Jahren wird er in Adelfia verehrt. Das Fest zu seinen Ehren gilt als Königin der Patronatsfeste in Apulien. 

 

 

 

 

 

Aber das Fest ist nicht nur bei Einheimischen beliebt. San Trifone (deutsch: Sankt Tryphon) zieht Menschen aus ganz Italien und darüber hinaus an. Gefeiert wird  vom 1. bis 11. November und der Höhepunkt des Festes sind die Prozessionen und die vielen Tages- und Nachtfeuerwerke am 10. und 11.November. 

Ziuccio ist Mitte 70 und war 20 Jahre lang Mitglied des Festkomitees von San Trifone. Er erzählt mir, dass San Trifone eine Heuschreckenplage verhindert und die Bevölkerung Montrones vor der Pest beschützt habe. Auf seinem Tablett zeigt mir Ziuccio Bilder, Videos und einen Dokumentarfilm von den Feierlichkeiten der letzten Jahre. Er erzählt mir von von den Illuminationen und Konzerten verschiedener Bands, die bis spät in die Nacht dauern. Auf den Straßen werden Rotisserien eingerichtet, wo lokale Spezialitäten angeboten werden: Lamm, "scottadito ribs", gegrillte Innereien ("nghimmiredde"), Sellerierippen und Provolonenscheiben ( Provolone ist ein Hartkäse) sowie Wein aus der Region.

Er erzält auch von den Freunden, die er durch das Fest von San Trifone und die Arbeit im Komitee kennengelernt hat und die immer wieder nach Adelfia kommen. Es gibt auch viele Menschen, die aus Adelfia ausgewandert sind, und für das Fest wieder in die Stadt kommen.

 

Ziuccio Pontrelli und seine Freunde vom Comitato Festa di San Trifone

Bassa Musica di Adelfia: m'è muert' 'u ciucc

 

Traditionell ziehen in jeder Nacht vom 1. November bis zum 8. November die Bands der BASSA MUSICA DI ADELFIA auch bekannt als "u TAMMURRE" ("die Trommel") durch Montrone. Sie spielen den "MARCIE DU CIUCCIE" ( Eselsmarsch), um die Menschen auf das Fest einzustimmen ( so steht es bei wikipedia und in manchen facebook Kommentaren).

 

 

Ich habe auf youtube dieses sehr atmosphärische Video `M'è muert' 'u ciucc' gefunden, das Montrone bei Nacht zu den Klängen der Bassa Musica di Adelfia zeigt. Nicola Machia hat es veröffentlicht und auf meine Frage, ob das der Eselsmarsch sei, schreibt er:

 

"Es ist kein Marsch, wie ihn jemand fälschlicher Weise genannt hat. Zu diesem Rhythmus lässt sich nicht marschieren. Die Ältesten des Dorfes sagten, der Titel sei: m'è muert' 'u ciucc' (das ist Dialekt) und bedeutet soviel wie mein Esel ist gestorben. Es ist ein traditionelles Lied aus Süditalien, das in den 60er Jahren vom kalabrischen Sänger OItello Profazio unter dem Titel u ciucciu bekannt wurde."


Luminarie - Illuminationen

 

Im Jahr 2018 wurden in Adelfia 100 Jahre Lichterkunst gefeiert. Kein Lichtbogen gleicht dem anderen, erklärt mir Ziuccio. Und sah der Corso Umberto während des Festes 2018 aus:

 

Die Lichtinstallationen bestehen aus mehreren Lichtbögen mit unzähligen Glühbirnen in verschiedenen Farben, die in verschiedenen Kombinationen geschaltet werden, um komplexe Lichteffekte zu erzielen. Als es noch keinen Strom und keine Glühbirnen gab, wurden geteerte Leinwände und kleine Vasen mit Lampenöl ("Lampante") verwendet. Die Illuminationen sind eine speziell süditalienische Tradition und eine Kunst, die jedes Patronatsfest begleitet. Der Ort Scorrano ( ebenfalls Apulien) gilt als Welthauptstadt der Illuminationen. Die religiöse Bedeutung der Lichter ist vergleichbar mit den Lichtern an unseren Weihnachtsbäumen: Es symbolisiert das Licht der Welt.

 

Ziuccio zeigt mir Bilder von den „Bomben“ für die Feuerwerke, die auf dem Feld aufgestellt werden. Die Kunst der Pyrotechnik besteht aus Licht, Geräuschen und Rauch. Anders als deutsche Feuerwerke zeichnen sie sich viel mehr durch Rauch, Rhytmus und Knalleffekte aus.

Feuerwerke

 

In der italienischen Wikipedia werden 40 verschiedene Klassifizierungen für „bomba“ und die Art wie sie explodieren, gelistet. Der Beruf des Pyrotechnikers ist nicht ungefährlich. Ab und zu gibt es Tote, wenn Feuerwerkskörper zu früh explodieren. Ziuccio zeigt mir Fotos von Verstorbenen. Bei einigen Feuerwerken werden die Bomben einzeln von den Pyrotechnikern gezündet und explodieren sehr dicht am Boden. In Adelfia wird es offiziell in diesem Jahr neun Feuerwerke geben ( aber seit dem 1.11 wird schonmal "geübt" ). Das längste dauert drei Stunden und wird von fünf verschiedenen Feuerwerksfirmen gestaltet. Ein Riesenspektakel könnte man meinen, aber ich habe diesen eher poetischen Kommentar zu den Feuerwerken auf facebook gefunden:

 

 

„Es sind keine Fässer.
sind keine Bomben.
sind keine Granaten.
Es sind VERSE.
Sie können von allem erzählen:
von Schmerz, von der Freude am Warten, vom Leben,
vom Sturm, vom Tod des Friedens.
Sie brechen die Stille nicht, sie komponieren sie.
Sie verletzen die Einsamkeit nicht, sie trösten sie.
Der Knall ist choral, universell.
Es steigt tief nach innen hinab.
und orchestriert in der Tiefe die tausend Stimmen.
und die Phantasmagorie der Seele."

(Giovanni SCAVO)

 


Die Prozessionen

Das Programm des Festes gliedert sich ein religiöses Programm und ein Ziviles. Höhepunkte des religiösen Programms sind die Heiligen Messen und Prozessionen. Sieben Messen finden allein am 10. November statt, die erste beginnt um 4.00 Uhr morgens. Die Prozession beginnt um 11.30 Uhr. Einige Kinder begleiten die Prozession auf Pferden mit festlichen Verzierungen. Mit der Übergabe der Schlüssel zur Stadt durch den Bürgermeister wird die Prozession beendet.

 

Ziuccio Pontrelli als Träger der Statue von San Trifone

 

Am 11. November, durchquert die Prozession erneut das Dorf, und die Statue des Heiligen wird auf den Schultern der Auswanderer getragen, die nach Adelfia zurückgekehrt sind. Die Statue des Schutzheiligen wird zurückgebracht in die Kirche San Nicola, wo sie für das kommende Jahr bleiben wird. In den 90er Jahren exportierten Auswanderer aus Montrone den Kult um  San Trifone bis nach Los Angeles, wo das Fest am Sonntag vor dem 10. November mit einer Prozession gefeiert wird.

 


San Trifone: Heiliger und Märtyrer

Hier also die Geschichte von San Trifone und die Ursprünge des Kultes, wie ich sie später auf der webseite AdelfiaComitatoSanTrifone recherchiert recherchiert habe.

 

San Trifone wurde als Bauernjunge um das Jahr 232 in in Phrygien geboren, das damals zur römischen Provinz Apamea (heute Türkei) gehörte. Der Name Trifone ist sehr alt und steht bereits im ersten Makkabäerbuch des Alten Testaments. Die etymologische Wurzel "Triple" bedeutet "Person edler Seele". Während der Verfolgung durch die Römer wurden die Christen gezwungen, vor der Statue des römischen Kaisers Opfer zu bringen. Für einen Christen, dem die heidnische Anbetung fremd und Götzendienst verboten war, bedeutete die Weigerung den Verlust des Eigentums, Gefangenschaft, Zwangsarbeit, Folter und sogar Tod. So weigerte sich auch Trifone und wurde von seiner Heimatstadt nach Nicäa gebracht, wo ein Prozess vor dem Präfekten Kleinasiens, Aquilino, stattfand. Auf die Frage des Präfekten: "Was bist du?“ antwortete Triffon: "Ich bin Christ". Nach dreitägiger Folter, die ihn zwingen sollte, den Göttern und dem römischen Kaiser Opfer darzubringen, wurde Triffone enthauptet. Der Körper des jungen Triffon wurde nach Konstantinopel und von dort nach Kotor gebracht. In der Sankt-Tryphon-Kathedrale in Kotor werden bis heute Reliquien von San Trifone aufbewahrt, der auch Schutzpatron von Kotor ist. Die Kathedrale gilt als die schönste Kirche in Montenegro.

 

Protestanten und säkularsierte Menschen mögen mit Heiligenverehrung nicht viel anfangen können. Aber selbst ein Existenzialist wie Albert Camus sah in Christus und den Heiligen einen edlen Lebensstil verkörpert, der als  Beispiel dienen kann. Und Pasolini hat über seine Verfilmung des Matthäusevangeliums gesagt: "Ich wollte nicht zeigen wie das Leben Christi wirklich war. Mir lag an ihrer Geschichte und ihrer 2000-jährigen Übersetzung, weil es diese 2000 Jahre Christentum sind, die seine Biografie mythologisiert haben, die sonst fast unbedeutend gewesen wäre.“ Für viele Gläubige in Apulien sind sie noch immer Helden und Identifikationsfiguren.

 


Montrone: Ursprünge des Kultes um San Trifone in Apulien

San Trifone Past Present Future
San Trifone Past Present Future

 

Im Jahr 982 wurde das Dorf namens Monte Roni, heute Montrone, gegründet. ( Jetzt verstehe ich auch, warum mein -> B&B Mons Roni heißt ). Ein griechisch-orthodoxer Priester führte den Kult um San Trifone, der in Konstantinopel und im Osten verehrt wurde, unter den Bewohnern des aus 31 Personen bestehenden Dorfes ein. Er wurde zum Schutzheiligen der Bauern und der Heiligenkult entwickelte sich im 12. Jahrhundert in Apulien auch in San Severo, Marzano di Nola, Tremonti, Nardo, Pulsano, Galatina, Cerignola und Bisceglie.

 

1519 erweiterte Giambattista Galeotta, ein Lehnsherr aus Montrone, die 1086 erbaute Kapelle mit dem Bau von zwei weiteren Altären, von denen einer dem Heiligen Trifone geweiht war. Dieser Altar wurde 1750 auf Befehl des Erzbischofs von Bari, Muzio Gaeta, abgerissen, weil er sich in einem Zustand der Vernachlässigung befand. Das Bild des Heiligen wurde in die Mutterkirche gebracht. In diesem Bericht von 1750 wird San Trifone offiziell zusammen mit San Rocco als Schutzpatron des Dorfes bezeichnet.

 

Den wundersamen Kräften San Trifones wird die Heilung vieler Menschen von der Pest zugeschrieben, die um 1770 in der Region herrschte. Danach steigerte sich die Verehrung San Trifones. 1783 schnitzte der Bildhauer Riccardo Brudaglio die Holzstatue des Heiligen Triffon, die noch heute in der Mutterkirche von Adlfia verehrt wird. Die Statue stellt ihn als Krieger dar, das Gemälde dagegen zeigt ihn als einfachen Bauern.

 

-> link zu Tryphon im ökumenischen Heiligenlexikon ( deutsch)

 

I miei più sentiti ringraziamenti vanno a Ziuccio Pontrelli.