Reisevisionen 2040, gelebte Utopien, ausgewählte Projekte und persönliche Tipps für nachhaltige Begegnung mit Land und Leuten in Apulien.
"Wir können eine Welt akzeptieren, in der wir uns davor fürchten, einander näherzukommen. Oder wir können diese Pause dazu nutzen, um einen anderen Weg einzuschlagen in Richtung Wiedervereinigung, Ganzheitlichkeit, Wiederherstellung verlorener Verbindungen, Aufbau von Gemeinschaft und einer Rückkehr in das Netz des Lebens. "
( Charles Eisenstein "The coronation." März, 2020)
Wie wollen wir leben? Wie wollen wir reisen? Wenn wir feststellen, dass wir neue Wege gehen wollen und andere Lebensweisen kennenlernen möchten, ist das Reisen wie ein Aufbruch im Kleinen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Konfrontation mit dem Fremden, hilft, den Mut und die Inspiration für Veränderung finden. Häufig fehlt uns dazu auch die Imagination: wie könnte ein anderes Leben überhaupt aussehen? Wichtigste Voraussetzung für eine Reise, an der wir wachsen können sind Orte und Menschen, die folgendes ermöglichen:
- die Wiederverbindung von Geist und Körper
- die Wiederverbindung von Mensch zu Mensch
- die Wiederverbindung von Mensch und Natur
Dafür müssen wir möglichst weg vom Massentourismus, hin zu Orten, die uns zum staunen bringen, uns langsam werden lassen und uns das Vertrauen in unsere Sinne wiedergeben. Hin zu Menschen und Gastgebern, die vielleicht schon ihre eigene Utopie verwirklicht haben, in jedem Fall aber Menschen, die ihre Türen öffnen, damit wir uns willkommen fühlen. Von da aus können wir los und auf Entdeckungsreisen gehen.
Seit meiner ersten Apulienreise 2014 hat sich einiges sichtlich verändert. Inzwischen boomt der Tourismus im Vergleich zu anderen Regionen Italiens. Bed & Breakfasts schießen jetzt in so mancher Altstadt wie Pilze aus dem Boden. Aber es gibt auch noch viele Orte abseits der Küste, in die sich kaum ein Tourist verläuft.
Die Integration des ländlichen Raums in den touristischen Kreislauf zu Urlaubs- oder Bildungszwecken ist eine grundlegende des Agritursimo. Den Gäste werden Aktivitäten angeboten, um den Kontakt zum Land wiederherzustellen und das Umweltbewusstsein zu fördern.Ein schönes Beispeil ist der Agriturismo Piccapane im Salento.
Die italienische non-profit Webseite " Italia che cambia" ( Italien im Wandel) stellt ihre Visionen eines zukünftigen Tourismus vor: "Tourismus bedeutet Reisen, Wissen, Verantwortung, Kultur. Ein Tourismus für alle, verantwortungsbewusst, ethisch, nachhaltig, gemacht von bewusst Reisenden und vorgeschlagen von einem Netzwerk von Betreibern, die in Werten, Image und operativer Synergie vereint sind." Italia che cambia erzählt, kartiert und vernetzt diejenigen, die einen positiven Wandel in Richtung größerer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer und kultureller Gerechtigkeit bewirken. (Italia che cambia ist ein Verein und eine eingetragene Zeitung, mehr dazu hier -> Italien im Wandel)
Als Reiseplattformen, die die Visionen 2040 umsetzen, werden bei Italia che cambia aufgelistet:
Compagnia dei cammini ( Wandern, Wandern mit Hunden, Wandern mit Kindern, Segeltörns, Eselreiten, Trekking )
www.cammini.eu
Destinazione Umana (Destination Mensch) www.destinazioneumana.it
Movimento Lento ( Langsam reisen zu Fuß oder mit dem Fahrrad) http://www.movimentolento.it/it/
Viaggi e Miraggi (Verantwortungsbewusst reisen in Italien und der Welt) www.viaggiemiraggi.org
Eco Bnb www.ecobnb.it
Addiopizzo Travel ( Antimafiareisen, nur in Sizilien) www.addiopizzotravel.it
Die Idee von Destinazione Umana ist nicht zu fragen: wohin willst du reisen, sondern wen willst du kennenlernen? Die Reisen sollen dazu anregen, einen Weg der Veränderung und des persönlichen Wachstums einzuschlagen. Veränderungen machen uns Angst und geben uns das Gefühl, allein zu sein: Aus der Begegnung mit den Geschichten und Erfahrungen derer, die dies bereits getan haben, können wir den Mut schöpfen, unser Leben zu verbessern. "Wir lieben Italien, sein unendliches Erbe an Schönheit, seine abwechslungsreiche Natur, den unglaublichen Schatz antiker Traditionen, die wie Teile eines Puzzles unsere Einzigartigkeit ausmachen. Ziele weit weg vom Massentourismus, hin zu Orten mit authentischem und "menschlichem" Charakter. Kleine Dörfer, von Entvölkerung bedrohte Gebiete im Landesinneren Italiens, Länder, die ihre Türen öffnen, damit Sie sich wirklich willkommen fühlen." So heißt es in der Selbstdarstellung. Außerdem im Fokus stehen Reisen für Frauen. Für Apulien habe ich aktuell aber leider kein Angebot gefunden.
Ebenfalls auf der Plattform von Italia che cambia habe ich diese beiden Orte gelebter Utopien in Apulien gefunden: die antikapitalistische Kommune "Urupia" im Salento und das Ökodorf "Il giardino della gioia".
Die Kommune Urupia befindet sich in der Nähe von San Marzano di San Guiseppe im Salento und wurde Anfang der neunziger Jahre von Deiutschen und Italienern gegründet.
Urupia sollte ein Laboratorium der Selbstverwaltung sein, das die maximale Entfaltung der individueller Möglichkeiten und die Achtung der menschlichen Vielfalt einerseits sowie die Ablehnung der Gesetze des Marktes und des Profits andererseits ermöglicht.
Die Prinzipien der Kommune Urupia sind vor allem das Fehlen von Privateigentum und das Konsensprinzip, d.h. die Einstimmigkeit der Entscheidungen. Jeder Bedarf eines Mitglieds wird von der Gemeinschaft getragen, einschließlich aller Ausgaben für die Unterstützung von Kindern oder die Pflege bedürftiger Angehöriger.
Urupia produziert Öl, Wein und andere landwirtschaftliche Produkte, organisiert kulturelle Aktivitäten und Kurse verschiedener Art. Nachhaltigkeit ist einer der zentralen Werte in der Urupia-Gemeinschaft. Urupia wurde als eine offene Gemeinde geboren: Jeder Interessierte erhält die Möglichkeit, sich über das Alltagslebens auszutauschen und an der sozialen Werkstatt teilzunehmen, die das Urupia-Projekt darstellt. Gastfreundschaft wird als Teilhabe an unserem täglichen Leben, d.h. an allen Aktivitäten der Gemeinde, konzipiert und erlebt.
Berichte in der deutschen Presse:
-> Zwölf Kommunarden im Lande der Urus (ND)
-> Besuch in Urupia (von family4travel)
Il Giardino della Gioia ( Der Garten der Freude ) ist ein Ökodorf im Herzen des Gargano.
Das Dorf fördert einen Lebensstil, der die Natur, die Menschen, die natürlichen Kreisläufe und alle Wesen respektiert, in einer Vision des inneren Wachstums und der spirituellen Verwirklichung
durch einen Weg der Meditation und der Arbeit an sich selbst.
Es gibt zwei synergetische Gemüsegärten, 2 Komposttoiletten, ein Phytoreinigungssystem und ein Regenwassersammelsystem. Bei allen Projekten wurden so weit wie möglich lokale Naturmaterialien verwendet. Außerdem wurden etwa 200 Obstbäume gepflanzt, um die Oliven-Monokultur in einen reichen und vielfältigen, essbaren Garten umzuwandeln.
Der Garten ist offen für Besucher, die bereit sind, sich mit 5/6 Stunden Arbeit pro Tag (außer am Sonntag) zu beteiligen. Um im Garten leben zu können, muss man ein assoziiertes Mitglied werden
(Jahreskarte 15€) und die Regeln der Gemeinschaft akzeptieren.
Während des Sommers wird um einen täglichen Beitrag im Austausch gegen Essen und einen Schlafplatz gebeten, da es tagsüber zu heiß zum Arbeiten ist.
-> Webseite Giardino della Gioia
-> WWOOF vermittelt weltweit Freiwillige
in die ökologische Landwirtschaft und möchte Menschen verbinden, die einen naturverbundenen Lebensstil pflegen. Ihr arbeitet in der Regel ca. 6 Stunden pro Tag und erhaltet im Gegenzug freie Kost
und Logis. Ich habe es einmal ausprobiert und war begeistert. -> mein Erfahrungsbericht
Andere Netzwerke, die Hilfstätigkeiten im Ausland vermitteln, sind zum Beispiel:
Das italienische Sprach- und Kulturinstitut Porta d´Oriente bietet Italienischkurse im Salento ( Otranto, Lecce, Galiipoli) . Zum Angebot gehören auch Unterkünfte, geführte Touren, Kulturelles. Alle Infos auch auf deutsch, sowie ein Überblick über die schönsten Strände im Salento. -> Porta d´Oriente