Die unheimliche Schöheit religiöser Bilder

 

 


 

„Was Philosophie, Religion und Mythen gemeinsam ist, kann man als Suche nach Erklärungen für die Welt und den Ursprung der Dinge bezeichnen.“

Während ich auf einer Bahnfahrt in einem Buch über die Mythen der Griechen lese, fragt mich mein Sitznachbar, ob ich mich für Philosophie interessiere. Während des Gesprächs stellt sich heraus, dass er calvinistischer Priester ist und nicht ohne Stolz erzählt er, dass es in den Kirchen der Calvinisten weder Bilder noch Kreuzsymbole gibt. Ich gebe zu, dass ich mich in katholischen Kirchen oft unwohl und von dem dargestellten Leid erdrückt fühle. Ich finde einige Bilder einzeln betrachtet, aber durchaus faszinierend. Was ich gegenüber dem Pfarrer nicht erwähne ist eine Szene aus einem Film über Gustav Klimt, in der Klimt gefragt wird: "Gibt es etwas erotischeres als die Kreuzigungsszene ?"

 

 

Als aufgeklärte Menschen haben viele von uns den Zugang zu magischen Welten verloren.

Tiefe Frömmigkeit ist uns fremd und bei der katholischen Kirche denken die meisten Nordeuropäer heute zuerst an Ablasshandel, Kreuzzüge oder düstere Rituale aus dem Mittelalter. Das ist leider ein Aspekt, der uns nicht nur die Sicht auf die Schönheit christlicher Kunst verstellt, sondern auch ein Stück europäischer Menschheitsgeschichte vergessen lässt. Ein Schritt der Annäherung an christliche (katholische) Kunst wäre vielleicht, sie aus dem gewohnten Zusammenhang zu lösen und in einen anderen zu stellen.

 

Die Ausstellung "Unvergleichbar" im Bodemuseum Berlin stellt afrikanische und christliche Kunst gegenüber und eröffnet damit einen Perspektivwechsel, der uns diese Welten wieder näher bringt. Wie wäre es zum Beispiel christliche Darstellungen nicht nur eindimensional als Figuren des Leidens und der Ergebenheit sondern, wie afrikanische Skulpturen, als magische Kraftfiguren oder revolutionäre Märtyrer zu betrachten? (Letzteres käme auch Pasolinis Jesusdarstellung in "Das erste Evangelium - Mathäus" näher.)

 

Unvergleichlich - Kunst aus Afrika


Ausstellungsansicht, © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Ausstellungsansicht, © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Mangaaka, Kongo, Yombe, 19. Jh, Holz, Eisen, Porzellan, Farbpigmente, Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, © SMB, Ethnologisches Museum, Claudia Obrocki
Mangaaka, Kongo, Yombe, 19. Jh, Holz, Eisen, Porzellan, Farbpigmente, Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, © SMB, Ethnologisches Museum, Claudia Obrocki
Zwei Trauernde, Neapel, 14 Jahrhundert, Marmor, von einem Grabmal stammend
Zwei Trauernde, Neapel, 14 Jahrhundert, Marmor, von einem Grabmal stammend
Maria mit dem Schutzmantel, Michel Erhart, ca. 1480, Lindenholz mit ursprünglicher Fassung, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, © SMB, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Antje Voigt
Maria mit dem Schutzmantel, Michel Erhart, ca. 1480, Lindenholz mit ursprünglicher Fassung, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, © SMB, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Antje Voigt
Schmerzensmann, Spanien 16. Jhd., Terrakotta mit alter Fassung, Veröffentlichung des Fotos mit freundlicher Genehmigung des Museums
Schmerzensmann, Spanien 16. Jhd., Terrakotta mit alter Fassung, Veröffentlichung des Fotos mit freundlicher Genehmigung des Museums

 

 

Die Ausstellung "Unvergleichlich - Kunst aus Afrika" stellt afrikanische Kunst christlichen Bilderwelten gegenüber. Dabei geht es um die großen Menschheitsthemen – Schutz, Tod, Geschlecht, Macht. Und ich würde hinzufügen: Trost, Mitleid, Trauer, Leidenschaft. Das Bild, das mich beim Rundgang durch das Museum am meisten berüht hat ist dieses, weil Jesus hier so klein und verletzlich dargestellt wird.

 

Veröffentlichung des Fotos mit freundlicher Genehmigung des Museums
Veröffentlichung des Fotos mit freundlicher Genehmigung des Museums

Ein paar Zitate, die für einen Perspektivwechsel hilfreich sein könnten.

 

"Die Geschichte der Schönheit ist eine des Idealismus und die Geschichte des Idealismus ist eine des Trostes." ( Susan Sonntag)

 

"Das Schöne ist das gerade noch erträglich gemachte Unerträgliche." (Byun Chul Han)

 

Der Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Aby Warburg sieht Bilder als Speicher der Erinnerung an die Leidenschaften der Menschen sowie des kulturellen Zustands einer Gesellschaft.  Mehr zu -> Aby Warburgs Mnemosyne Bilder - Atlas

 

Museumsinfo

"Unvergleichlich - Kunst aus Afrika" bis 2.6.2019

Bode-Museum, Am Kupfergraben, Eingang über die Monbijoubrücke
Montags geschlossen, Dienstag bis Sonntag: 10.00-18.00 uhr, Do: 10.00-20.00 uhr.

Eintritt: 12, 00 Euro, ermäßigt: 6,00 Euro, Hartz IV Empfänger mit Berlin-Pass: frei

Tipp: Die meisten direkten Gegenüberstellungen von afrikanischer und christlicher Kunst befinden sich im Untergeschoss.

Mehr Infos und Bilder zur Asstellung auf dem -> Museumsblog

Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln

 

Das Kolumba möchte mit seiner aktuellen Ausstellung "Pas de deux" die Notwendigkeit bewusst machen, in einer immer bedrohlicher werdenden Welt die vielfältigen Aspekte des Menschseins präsent zu halten. "Pas de deux" ist in Zusammenarbeit mit dem Römisch Germanischen Museum entstanden und noch bis 19. August 2019 zu sehen. "Pure Schönheit zu einem Menschenrecht zu erklären, das ist hier die Provokation - und nebenbei eine zutiefst katholische Haltung." schrieb " Die Zeit" anlässlich der Ausstellung. Leider habe ich nicht die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Fotos, die ich hier gemacht habe. Also seht es euch selber an!


Trauer, Angst, Tod, Leben und Krankheit bilden die Klammer, die alte und moderne, religiöse und profane Kunst im Kolumba miteinander verbindet. Mein absolutes Lieblingsmuseum! Nicht nur wegen der Themen, sondern weil es wirklich ein Museum der Sinne ist.


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